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Arbeiten im Ausland – Zypern. Von Mord, Rassismus und Grenzen.

Das hier ist quasi die Fortsetzung meines letzten Zypern-Erfahrungsberichts über den Hundertjährigen, der jeglichen Anstand aus dem Fenster warf. Es handelt sich um denselben Aufenthalt, bei dem ich an so einige meiner Grenzen gestoßen bin. Reisen ist eben vielmehr und oft einfach ganz anders als uns die „perfekte“ Instagram Travel World vorgaukelt.

Warum man nicht zu viel auf Erwartungen geben sollte…

… weil es immer anders kommt als man denkt und die Erwartungen sich in den seltensten Fällen erfüllen. Das ist die Erfahrung, die ich des Öfteren in meinem Leben gemacht habe. Dass es mir so ergangen ist, kann aber natürlich auch daran liegen, dass ich immer einfach drauf los bin. Spontan, ohne große Recherchen mit nichts als meinen großen Erwartungen und dem Reisepass im Gepäck.

Mein naives Ich nach den ersten drei Schiffsverträgen: Schon um einiges gewachsen, aber wie sich herausstellen sollte noch nicht genug.

Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung absolvierte ich eine Weiterbildung als Hospitality Professional. Im Anschluss daran sollte es nach Zypern gehen – auf die griechische Seite. Ich war total aufgeregt. Im positiven. Ich konnte es kaum erwarten. In meiner Vorstellung war ich dabei auszuwandern. Ich war vorher zwar noch nie auf Zypern, aber das konnte doch nur gut werden. Schließlich mochte ich die griechischen Häfen und die Menschen, denen ich dort bei unseren regelmäßigen Schiffsanläufen begegnet war. Außerdem ist es eine schöne Warmwetterinsel mit paradiesischen Stränden. Der Start würde einem auch sprachlich sicher leichtfallen, denn durch die jahrelange Besetzung der Briten, war es doch sicher wie Little UK, nur mit gutem Wetter eben.

NOPE

Es hatte mich in einen typischen Touristenort verschlagen. Einer dieser Orte, dem erst mit den steigenden Besucherzahlen auch Leben eingehaucht wurde. Ich traf also auf eine Geisterstadt. Das war etwas komisch, aber es störte mich nicht. Was mich hingegen störte war der Empfang im Hotel und die Mentalität vieler, die alles andere als gastfreundlich war. Zu einem entscheidenden Teil habe ich mich bereits in meinem letzten Beitrag geäußert. #grenzüberschreitung

Rassismus

Besonders schockiert hat mich darüber hinaus der Rassismus. Nun muss man vielleicht noch wissen, dass der Touri-Ort an den es mich verschlagen hatte, eine Party Hochburg war. Besonders britischer feierwütiger Touristen. In den populären Clubs legten immer wieder auch MTV DJs auf. Die waren nicht alle weiß. Die Anordnung, die wir am Empfang erhielten, lautete: „Ihr müsst beim Check In der farbigen Gäste im Vorhinein die Kreditkarte einfordern. Bei den anderen nicht. Ganz besonders nicht bei den Einheimischen.“ Das war etwas womit ich mich kein Stück abfinden konnte. Und wer waren diejenigen, die die Zeche fast jedes Wochenende geprellt haben? Yup. Die Einheimischen. Verheiratete betuchte Männer, die das Wochenende im Luxushotel mit ihren jungen russischen Geliebten verbrachten. Room Service, Champagner, Spa – alles, um Eindruck zu schinden. Und weg waren sie. Ohne zu bezahlen.

Scheinheiligkeit

Scheinheiligkeit ist noch so ein Thema, auf das ich allergisch reagiere. Es macht mich wirklich rasend wütend. Das ist jetzt kein zypriotisches Phänomen. Es ist eines, das sich überall zeigt und nie mit einem guten Gesicht. Bei diesem Job ist es mir nur das erste Mal so sehr aufgefallen – und meine extreme Reaktion darauf. Diese Menschen, die jeden Sonntag brav in die Kirche gehen und sich mit Gottergebenheit für gute Menschen halten. Mehr noch, für die besseren Menschen. Nur leider leben sie ihre christlichen Werte im Alltag nicht. Und da ist sie diese Scheinheiligkeit, die mir so zuwider ist. Von Nächstenliebe und „Wir sind alle gleich“ reden, im Alltag dann aber Menschen anderer Nationalitäten diskriminieren. Menschen anderer Hautfarbe gehörten sowieso nicht zum „Wir sind alle gleich“ Prinzip. Aber auch bestimmte Nationalitäten hatten keine Nächstenliebe verdient.

Das machte auch bei Gästen keinen Halt. Wenn einer der alten einheimischen Portiers sah, dass Gäste nicht wohlhabend waren und von ihnen kein Trinkgeld zu erwarten war, dann ging er auch nicht raus, um ihnen mit dem Gepäck zu helfen. Dafür hatte er im Laufe seines Lebens natürlich ein Auge entwickelt.

Die dunkle Seite

Bei anderen Gästen wiederum preschte er gerne vor, um sich durch „tips from a local“ extra Trinkgeld zu verdienen. Gästen, die Interesse daran hatten, die türkische Seite der Insel zu besuchen, riet er strikt davon ab. Sie würden ihr Leben riskieren, denn drüben lebten nur Barbaren. Das waren keine Menschen. Sie sollten lieber auf der guten Seite der Insel bleiben. Ich habe übrigens „mein Leben aufs Spiel gesetzt“ und bin mal rübergefahren. Wie wir wissen lebe ich noch. Barbaren habe ich auch keine gesehen. Auf der anderen Seite ist einfach weniger los. Es ist nicht so touristisch. Und das ist keinesfalls etwas Schlechtes. Woran es liegt, dass es kaum Reisende dorthin zieht, kann man sich denken.

Die wahre dunkle Seite

Die war nicht fern. Sie war direkt vor der Tür. Und das nicht bloß in Form der fliegenden Riesenkakerlaken (ja, die gibt es dort wirklich!). Eines Abends verschwand eine Kollegin, eine Slowakin. Den Nachtportiers war etwas Komisches aufgefallen, woraufhin sie den Hundertjährigen (den Eigentümer des Hotels) alarmierten. Dieser erwiderte allerdings unbeeindruckt: „Die ist doch wie die alle. Die wird jetzt 2/3 Tage verschwinden, um zu vögeln und dann wieder auftauchen.“ Einige Tage später fand man sie im Inselinneren, tot am Straßenrand, entsorgt wie Müll. Ihr eifersüchtiger Freund (ein Griechisch-Zypriote, keiner der Barbaren von der anderen Seite wie zunächst vermutet wurde) hatte sie abgefangen, entführt, vergewaltigt und umgebracht.

Lichtblicke

Wenige Wochen nach diesem Vorfall habe ich mich auf den Heimweg zurück nach Lippstadt gemacht. Das mit dem Auswandern und für immer glücklich werden auf Zypern war wohl nichts. Im Nachhinein betrachtet ist das auch gut so. Trotz der in Relation vielen tendenziell eher negativen Erfahrungen, möchte ich die Zeit auf Zypern nicht missen. Ich habe sie auch nie bereut. Im Gegenteil sie hat mir so einige wichtige Lektionen erteilt. Dann gab es da auch noch meine Lichtblicke – einige ganz wundervolle Menschen, die ich dort kennenlernen durfte. Sie waren sicher auch ausschlaggebend dafür, dass ich die Kraft aufgebracht habe die Saison durchzuziehen. Sie sind zu meiner Familie geworden und ich schätze mich mehr als glücklich ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.

Davon abgesehen ist Zypern ein wunderschönes Stück Erde, welches eine Reise wert ist. Für mich war es einfach nur nicht der richtige Ort, um sesshaft zu werden.

Gab es auch bei dir den einen Ort in deinem Leben oder die eine Erfahrung, die dir eine große Lehre fürs Leben war? Wie planst du deine längerfristigen Auslandsaufenthalte? Reinstürzen oder minutiös planen?

Let’s talk! Ich freue mich auf deine Nachricht.