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Richtis / Ostkreta – Teil 1: „Mal eben zum Wasserfall und zum Frühstück wieder zurück“ – von wegen

Eigentlich, also ganz eigentlich (um dieses grässliche Füllwort einmal auszureizen) war das als entspannter Urlaub gedacht. Eine Woche -viel zu kurz- in der wir uns fernab vom Alltag dem dolce far niente hingeben. Nun sitze ich aber hier, auf der Terrasse unserer grandiosen Unterkunft und sogar das Schreiben schmerzt. Ich habe Muskelkater am ganzen Körper, an Stellen von denen ich gar nicht wusste, dass sie schmerzen können – unter den Schulterblättern und drum herum zum Beispiel.

Was ist passiert?

06:30 Uhr irgendwo in einem Steinhaus inmitten eines Olivenhains. Weit und breit keine Menschenseele. Wir hören den Hahn krähen und die Grillen zirpen als wir wach (die Betten sind nicht die gemütlichsten) im Bett liegen.

Der Wahnsinn nimmt mit folgendem Dialog seinen Lauf:

Er: Was wollen wir denn heute machen? Hast du irgendwelche Wünsche?

Sie: Nein, nicht wirklich… Obwohl, wir könnten uns vielleicht die Gorge of Richtis ansehen. Dimitria hat das doch mal beiläufig als sehenswert erwähnt. Hhhmm muss aber auch nicht sein. Wir können heute auch einfach nur rumhängen und die Stille hier genießen.

Er: Ach komm, ist doch ne super Idee. Weißt du was? Dann lass uns doch aufstehen, einen Kaffee trinken, die Richtis Schlucht ansehen und zum Frühstück sind wir dann wieder auf unserer Terrasse.

Sie: Klingt super, das machen wir!

Um kurz nach 8 sitzen wir im Auto und nach etwa 15 Minuten Fahrtzeit sind wir hinter der Ortschaft Exo Mouliana oben am Parkplatz zur Richtis Schlucht angekommen. Ist sicher nur ein kleiner Spaziergang nach unten. Also los.

Kurz noch zu unserer „Ausstattung“: Ich trage mein leichtes kurzes Strandkleid, Mokassins und habe eine Handtasche mit Wasser, Sonnenschutzmittel, einem großen Handtuch und Keksen dabei. Mein Freund trägt Sneakers, eine kurze Hose und ein Shirt.

Abschnitt 1: Vom Parkplatz zur Lachanas Brücke

Bis zur Steinbogenbrücke, der ersten „Sehenswürdigkeit“ sind es etwa 1,2 km, die sich steil den Weg runterschlängeln – vorbei an vielen süßen Gärten und Olivenbäumen. Die Straße ist gepflastert, hier und da begegnen wir einigen Bauern, die uns freundlich grüßen.

Die Brücke selbst ist nun nicht allzu beeindruckend. Nachdem wir sie passiert haben, finden wir uns schon im ersten Abschnitt, den ich „Wildnis“ nenne.

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Oleander überall – ein Traum
Abschnitt 2: Von der Lachanas Brücke zum Wasserfall

Das Schild besagt, dass uns 1,8 km bis zum Wasserfall bevorstehen. Easy denken wir uns, auch wenn der Weg jetzt schon nicht mehr trocken ist und wir durch einen kleinen glasklaren und erfrischenden Bach laufen müssen. Die Schuhe ziehen wir dafür aus. Dass die kleinen spitzen Steinchen uns verwöhnte Stadtkinder schmerzen lächeln wir weg.

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Noch ist mir das Lachen nicht vergangen

Bis es nicht mehr geht, denn die Wildnis wird immer wilder und jetzt erkennen auch wir, dass das hier eine richtige Wanderung wird.

Sollen wir zurück und es einfach lassen?

Einige, voll ausgerüstete, Wanderer haben uns längst überholt und belächeln uns dabei. Ein freundliches junges Wanderpaar aus Süddeutschland hält irgendwann nochmal und bietet mir ihre Wasserschuhe, die sie in der Tasche hat und nicht braucht, da sie sehr gutes Wanderschuhwerk trägt.

Sie bestätigen uns das, was wir uns so langsam gedacht haben: Barfuß kommen wir nicht weit. Dankend und heilfroh nehme ich die Wasserschuhe an. „Komm Prinzessin, ich helfe dir“, sagt sie. Viele Menschen, die mich nicht kennen stempeln mich als Prinzesschen ab, was mich im Regelfall stört, aber in dieser speziellen Situation kann ich es ihr nicht verübeln, denn es sieht schon echt stark danach aus.

Die beiden sagen uns noch, wo sie untergekommen sind, damit wir ihnen die Schuhe wiederbringen können und schreiten voller Tatendrang voran. Irgendwann sehen wir sie nicht mehr, aber auch wir können jetzt wieder einen Zahn zulegen. Ich fühle mich in den Wasserschuhen bestens ausgerüstet und auch mein Freund kann mit seinen Sneakern besser laufen als ohne. Einzig und allein die Tasche nervt, denn natürlich ist es kein Rucksack.

Kletterpartie

Der Weg führt immer tiefer in die Schlucht und spart nicht an unberührter, wilder Natur. Zahlreiche Oleandersträuche, Bäume, Pflanzen, Wildkräuter und -blumen, stärker anschwellende Bäche, die irgendwann zu einem Fluss zusammenlaufen und immer mal wieder ein paar Palmen. Wenn wir nach oben schauen, sehen wir hohe Gebirgsketten und nichts als Grün. Wir müssen ziemlich weit unten sein. Stets begleitet von immer wieder wechselnden betörenden Gerüchen mediterraner Kräuter wie Salbei und Oregano kämpfen wir uns weiter durch die Wildnis.

Es ist wunderschön, aber auch sehr anstrengend geworden. Immer wieder müssen wir über Felsen klettern, uns an Bäumen entlang hangeln. Das alles fällt mir wesentlich einfacher, da mein lieber Freund mir die Tasche abgenommen hat. Er ist sichtlich genervt, will mir die Tasche aber auch nicht wieder anhängen, wofür ich ihm sehr dankbar bin.

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Happy mit Wasserschuhen und ohne Tasche 😉

Der Weg zieht sich weiter und weiter. Kein Ende in Sicht. Das müssen doch mehr als 1,8 km sein?! Irgendwann kommt uns eine Wanderin entgegen, die uns zuvor schon mal überholt hatte. Sie bestätigt uns, dass es nicht mehr weit ist: „Noch ein kurzer Weg, dann kommen Holztreppen und dann seid ihr da. Es lohnt sich, der Wasserfall ist wunderschön.“ Abgesehen davon, dass sich die Holztreppen als hundertstufiger Horror entpuppen, verläuft der restliche Marsch einwandfrei. Ich erwische mich beim zynischen Gedanken, dass dieser Wasserfall sicher eine Enttäuschung wird und das alles nicht wert sein wird.

Endlich da!

Da habe ich mich getäuscht. „Without a doubt, one of the most beautiful waterfalls I’ve ever seen!“ Er ist wirklich atemberaubend. Mein Staunen wird vom tosenden Beifall der Wanderer unterbrochen, die mir die Wasserschuhe geliehen hatten. Sie sind sichtlich erstaunt: „Du hast es tatsächlich geschafft?! Ganz ehrlich, wir haben euch schon abgeschrieben und waren sicher, dass ihr umgekehrt seid, denn auch die Wasserschuhe sind für diese Wanderung nicht gerade geeignet und der Weg ist schon echt hart geworden im letzten Teil.“

Tja weit gefehlt. Wir sind da. Ich habe es nicht nur geschafft, sondern auch mal eben dieses mir anhaftende Vorurteil und Klischee widerlegt. Von wegen Prinzessin!

Ach egal, wir sind einfach froh, dass wir da sind und es uns nicht haben entgehen lassen. Nach diesem unerwarteten und ungeplanten Trip kommt die Erfrischung im Wasserfall genau richtig. Das Wasser ist so wunderbar klar und kalt – der Wahnsinn!

Der Rückweg

Wir schnacken noch ein wenig mit den anderen und überlegen dann, wie wir zurückkehren sollen. Wir haben zwei Optionen: Denselben Weg wieder zurück oder den Weg fortsetzen bis zum Strand, zu dem es weitere 1,4 km sein sollen. Von da aus könne man dann einfacher eine Straße entlanglaufen zurück zum Parkplatz. Diese Straße wäre allerdings in der prallen Sonne und da es inzwischen um die Mittagszeit herum ist – so viel zum Thema „Wir sind zum Frühstück wieder zurück“ – entscheiden wir uns wohl oder übel für den schattigeren Wander-Kletterweg, der uns ja nun schon bekannt ist.

Tatsächlich fällt uns der Trip zurück wesentlich einfacher, auch wenn mein Freund inzwischen einen ziemlichen Hass auf meine Tasche entwickelt hat und mich fast die Böschung runterschubst als ich sage: „Wenn du sie mir nicht geben willst, dann versuch sie doch als Rucksack zu tragen.“ Seine Antwort: „Willst du mich ver*#!!#**, das sagst du mir jetzt erst?! Vier Stunden lang trage ich diese verdammte pinke Tasche ladylike über Stock und Stein und jetzt sagst du mir, dass ich sie auch als Rucksack auf die Schultern nehmen kann?!“

To make a long story short:

Nach etwa 4,5 Stunden sind wir heil wieder oben angekommen – vollkommen fertig, aber glücklich. Glücklich darüber, dass wir das erleben durften, dass wir uns wieder lebendig fühlen durften und, dass wir so liebe Menschen kennenlernen durften. Diese großzügige Geste ist alles andere als selbstverständlich und so wissen wir sie sehr zu schätzen.

Die beiden haben wir dann noch zu ein paar Drinks auf unsere Terrasse eingeladen, bevor wir den Tag dann wirklich nur noch mit einem kleinen Ausflug zum Essen nach Mochlos und Sonnenuntergang bei uns im Olivenhain haben ausklingen lassen.

Good to know

Falls ihr auch mal im Nordosten Kretas unterwegs seid und die Richtis Schlucht sehen möchtet, dann habe ich folgende Tipps für euch:

Auch wenn aus der Geschichte heraus bereits ziemlich offensichtlich, sei hier noch einmal angemerkt, dass ihr festes Schuhwerk benötigt für eine körperlich fordernde Wanderung in einer wilden Schlucht mit dschungelartig anmutender Vegetation. Wasser, Snacks und Sonnenschutz können auch nicht schaden. Außerdem: ihr werdet nass werden.

Wie und von wo aus ist die Schlucht am besten zu erreichen?

Die Richtis Schlucht liegt etwa 15 Minuten Fahrtzeit von Myrsini entfernt, direkt hinter der kleinen, aber süßen Ortschaft Exo Mouliana. Am Startpunkt ganz oben gibt es einen kleinen Parkplatz auf dem etwa 15 Autos insgesamt Platz finden. Ihr werdet einen Wagen benötigen, um dort hinzukommen. Ausflugsbusse und öffentlichen Nahverkehr haben wir dort nicht gesehen (und wir sind auf dem Weg nach Sitia, Vai und Xerokampos sehr oft daran vorbeigefahren).

Die nächstgrößere Stadt in der Nähe der Richtis Schlucht ist Sitia im Nordosten Kretas. Von da aus sind es auch etwa 10-15 Minuten mit dem Auto. Der Weg von der Lachanas Brücke bis zum Strand von Richtis erstreckt sich über insgesamt 3,2 km. Der Höhenunterschied von oben bis runter zum Beach of Richtis beträgt etwa 350-400 m.

Darüber wie es uns am folgenden Tag auf dem Weg zum Richtis Strand ergangen ist, erfahrt ihr im nächsten Beitrag. Ihr dürft gespannt sein, denn -guess what- auch das war kein gemütlicher „Mal eben zum Strand“-Ausflug.

Du hast Fragen oder Anmerkungen zu dieser Story? Immer her damit – let’s talk! Ich freue mich auf deine Nachricht. Baci & abbracci, Deine Gitaliana Michela