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Lissabon – Eine Fahrt in der Tram 28. Total überbewertet.

Ostermontag 2019, es ist grau und frisch, aber wenigstens regnet es nicht. Wir laufen durch die Straßen, wir müssten gleich da sein. Martim Moniz – eigentlich sind wir schon da. Ein Blick auf die andere Straßenseite und ich weiß: Das muss der Startpunkt der Tram 28 sein. Wie ich das auf den ersten Blick erkenne? An der Schlange. An der endlos langen Schlange. Ich überschlage in meinem Kopf und komme auf etwa 4-5 Trams, die wir abwarten müssen, bis wir an der Reihe sind. Die 28 fährt alle 10 Minuten. Wollen wir uns das wirklich antun? Ich blicke auf Adina (14), meine Kusine, die das erste Mal auf Reisen ist und sich von mir leiten lässt. Ihr Blick: Offen für alles, aber irgendwie auch kein Bock.

Also was tun?

Mit Kreuzfahrtschiffen war ich schon oft in Lissabon. Hatte aber nie wirklich Zeit für diese wunderbare Stadt und schon gar nicht für eine Fahrt in der Tram 28, von der alle immer schwärmen. Es gibt keinen Reiseführer, der nicht sagt, dass sie zu den MUST DO’s in Lissabon gehört. Also denke ich mir: Augen zu und durch. Da muss ja schließlich was dran sein.

Wir warten. 10 Minuten vergehen. Weitere 10 Minuten vergehen. Weitere 20 Minuten vergehen und noch weitere 10 Minuten bis wir an der Reihe sind. Wir sind endlich die ersten in der Schlange und bekommen unsere Wunschplätze. Sie ist rappelvoll. Dann setzt sie sich in Bewegung. Zunächst nach Alfama. Dem charmanten Stadtteil, in dem wir unsere Unterkunft haben und den wir aus den unterschiedlichsten Gründen schon in- und auswendig kennen. Knatschend bahnt sie sich die steilen, engen Straßen hoch und runter, vorbei an der großartigen Kathedrale Sé in Richtung Bairro Chiado.

Ganz schön viele Körpergerüche

Der Wind weht eiskalt und gnadenlos durch die Fenster. Die Tram wird immer voller. Von den bezaubernden Holzdielen und Wandverkleidungen ist nichts mehr zu sehen. Nur noch viele Köpfe, Arme, Hinterteile und endloses Geschnatter, aber wir haben den Blick nach draußen. Zum Glück.

Viele der Zusteigenden sind Einheimische, die einfach nur von A nach B kommen wollen. Die Touristen – wir – nehmen ihnen den Platz weg. Viele glauben, dass die Tram eine Touristen-Tram ist. Eine Attraktion der Stadt Lissabon exklusiv für ihre Besucher. Tatsächlich jedoch ist sie ein Transportmittel für alle. Ich fühle mich schlecht. Ich möchte den Locals nicht durch meine Anwesenheit das Leben erschweren. Ist es das wirklich wert?

Nach etwa 40 Minuten erreichen wir die Endhaltestelle Campo Ourique. Da scheint es auf den ersten Blick nicht viel zu geben. Es ist spät, grau und der Hunger meldet sich. Also gleich in die nächste Bahn und wieder zurück. Es ist uns egal, dass wir diesmal ganz hinten mit eingequetscht stehen müssen. Whatever. Von den versprochenen großartigen, neuen Aussichten war ohnehin nicht sooo viel zu sehen. Zumindest nicht für uns, die wir in den letzten Tagen bereits die ganze Stadt abgelaufen haben. Wie war das doch gleich mit den überhöhten Erwartungen und so?

Das war es also

Wir sehen uns an. Es bedarf keiner Worte. Wir sind uns einig. Die Tram 28 ist ein absolutes Highlight. Sie ist bezaubernd und anders. Ein paar Haltestellen genügen schon. Am schönsten jedoch ist diese Vintage Bahn von außen betrachtet – wenn man sie schon weitem heranquietschen hört. Wenn sie sich so wunderbar ins Stadtbild schmiegt. Mit ihrem Antlitz in den Straßen von Alfama liefert sie die perfekten Postkartenmotive in einer grandiosen Kulisse. Das begeistert uns immer wieder. Den gesamten Aufenthalt lang.

Btw: Für alle anderen Attraktionen haben wir auf Schlange stehen verzichtet. Das Leben ist einfach zu kurz. Ob wir dadurch das Gefühl haben etwas verpasst zu haben? Absolut nicht. Im Gegenteil.

Wie siehst du das? Let’s talk. Ich freue mich auf deine Nachricht.