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Unter Tieren: Ein Blick hinter die Kulissen des Bremer Tiergeheges

Bei meinem ersten Besuch im Tiergehege in diesem Jahr präsentiert sich mir eine Szenerie wie in einem Bauernhof-Bilderbuch für Kinder. Es ist ein sommerlich warmer Tag im Juni, die Muttersau Bonnie grunzt und wälzt sich vergnüglich im Schlammbecken, um sich abzukühlen. Ihre zehnköpfige Ferkelbande quiekt vergnügt vor sich hin, tollt umher und ärgert die Mama. Kein Wunder, dass hier eine ganze Menschentraube steht. Die Schweinefamilie scheint DAS Sommerhighlight im Bürgerpark zu sein.

Wenige Schritte weiter ein Hahn, der auf einen Heuhafen klettert: „Kikeriki! Kikeriki“. Um ihn herum scharen sich weitere Hähne, Hühner und ihre Küken. Bauernhofidylle mitten in der Stadt.

Auf dem Weg zu den Zwergziegen und den Alpakas kommt mir ein blau glänzender Pfau entgegen. Mit stolz geschwellter Brust dreht er seine Runden im Freien und mischt sich unter die begeisterte Menschenmenge.

Ein beliebtes Ausflugsziel und Bremer Institution

Überall Nachwuchs: Süße Tierbabys, die die Besuchermagneten schlechthin sind. Das Tiergehege ist insbesondere unter Einheimischen als beliebtes Ausflugsziel bekannt. Es ist zentral im wunderschön angelegten Bremer Bürgerpark gelegen und jederzeit kostenfrei zugänglich. Wenn du einen Städtetrip nach Bremen unternimmst, solltest du auch einen Besuch im Bremer Bürgerpark und im hiesigen Tiergehege einplanen. Hier leben 80-100 Tiere (je nachdem wie viel Nachwuchs es gibt) 15 verschiedener Arten. Abgesehen vom Damwild und von den Mufflons sind es alles Haustiere, die teilweise zu den bedrohten Rassen gehören, wie die bunten Bentheimer Schweine zum Beispiel. Zu den Bewohnern gehören außerdem noch Zwergesel, Enten, Meerschweinchen, Schafe, Alpakas, Zwergziegen, Zwergzebus und neuerdings auch Shetland Ponys.

Seit inzwischen fünf Jahren lebe ich in Bremen und war natürlich auch schon das ein oder andere Mal im Tiergehege, aber so habe ich es noch nie erlebt. Ich beschließe, dass ich mehr darüber erfahren muss und mache ein Treffen mit dem Leiter des Tiergeheges aus.

Unter Tieren – Das Gehege am frühen Morgen

Um 7:30 Uhr bin ich da und erlebe wieder ein Novum: Es ist fast menschenleer. Lediglich ein paar Jogger begegnen mir hier und da. Eine kleine Brücke führt zum Tiergehege, wo man direkt von den Eseln begrüßt wird. Einen ersten Rundgang mache ich allein und folge zunächst dem Krähen der Hähne, die ich wenig später im lichten Gebüsch vor dem Damwild Gehege, wo sie umherlaufen, fröhlich vor sich hin picken und ihr Leben leben.

A propos den Lauten folgen: Als ich mich umdrehe und wieder in Richtung Haus und Esel gehe, wo ich mit dem Leiter des Tiergeheges verabredet bin, werde ich von lautem Grunzen abgelenkt. Es führt mich in einen friedlichen, fast schon unwirklichen, Moment: Bonnie liegt auf der Seite und füttert ihre zehn Ferkelchen, die quieken, trinken und scheinbar nicht genug bekommen können. Man hört nichts als ihr Grunzen, das Quieken der Kleinen, die Vögel und immer wieder auch das Krähen der Hähne. Nach ein paar Minuten lassen sie schließlich von ihrer Mama ab und springen wild umher. Bonnie schwingt sich mit einem Ruck wieder auf und hält inne. Ihre kleine Rasselbande quetscht sich derweil einer nach dem anderen durch die Gitterstäbe ins Nebengehege. Hier leben Papa, Eber Harry und Sau Bernadette, wie ich später erfahre. Sie werden getrennt gehalten, weil Harry sonst Bonnie gleich wieder „decken“ würde.

Tiere mit Personality

Um 8 Uhr treffe ich Christian Panhorst zwischen dem Eselgehege und dem Stall. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Sarah und Tochter Emma kümmert er sich seit 2003 um die Tiere. Herr Panhorst ist ein schmaler Typ mit sonnengebräunter Haut und fast schulterlangem Haar – immer in Bewegung und dabei doch so gelassen.

Während ich die Schwalben im Stall beobachte, setzt er noch schnell Kartoffeln für die Schweine auf. Nebenbei erzählt er mir von seinen Schützlingen und ihren individuellen Charakteren, die er nach nunmehr 17 Jahren sehr gut kennt.

Die Eseldamen Letizia und Lotte zum Beispiel sind tiefenentspannt und vermitteln „mit einer besonderen Aura“, wie er es ausdrückt, dass sie alles unter Kontrolle haben. Freddie und Felix hingegen sind eher unruhig, wobei Freddie sogar der Außenseiter ist.

Freddie, der Außenseiter

Woher sie alle ihre kuriosen Namen haben?

„Die Namen bekommen die Tiere alle von unserer Tochter Emma, die hier mit ihnen aufgewachsen ist.“

Die Pfaue namens Pea 1 und Pea 2 -sie sehen sich einfach zu ähnlich- sind Vater und Sohn und fast nie in ihrem Gehege anzufinden. Stattdessen patrouillieren sie gerne im Park und mischen sich unter die menschlichen Besucher, die begeistert ihre Kameras zücken. Herr Panhorst ist schon froh, wenn sie sich überhaupt im Einzugsgebiet des Parks befinden: „Die büchsen gerne auch mal aus. Da bekomme ich dann Anrufe aus Schwachhausen oder auch Findorff, wo sie entdeckt werden. Es klingt amüsant, aber sie zu suchen und dazu zu bewegen nach Hause zu kommen ist nicht so lustig.“

Auch die Hühner und Hähne bewegen sich mit ihren Küken gerne außerhalb ihres Geheges. Spätestens am Abend müssen sie jedoch in ihren Stall gebracht werden. „Eine Nacht im offenen Park würden sie nicht überleben. Die Marder, Krähen oder Füchse, die hier frei leben, würden sie schnappen“, ist er sicher.

Eber Harry ist übrigens bei aller „Deckungsfreude“ sehr zurückhaltend und lässt vor allem Menschen nicht gern nah an sich ran, Sau Bernadette ist etwas hibbelig und Muttersau Bonnie ist eine vorbildliche Mama „wie sie im Buche steht“.

Cuteness Overload – Die Tierbabys

Die Bentheimer Schweine gehören zu den unbestrittenen Publikumslieblingen, allen voran Bonnie und ihr Nachwuchs. Die Sau hat im März zehn Ferkel auf die Welt gebracht, die wild umhertollen und miteinander spielen. Die hibbelige Bernadette von nebenan wird voraussichtlich im Spätsommer selbst Mama. Dann ist die aktuelle Ferkelbande längst nicht mehr da und es wird getauscht: Sie bekommt das Gehege links mit ihrem Nachwuchs und Bonnie zieht zurück zu Harry.

Im Frühjahr und Sommer sind alle Jahre wieder die Tierbabys das absolute Highlight im Bremer Bürgerpark. Der neueste Shooting Star heißt Archie, das Shetland Pony Fohlen, das im April geboren wurde und mit seinen Eltern aktuell noch neben den Zwergeseln lebt. Die Shetland Ponys sind erst im Februar 2020 hier eingezogen und gehören somit zu den Newcomern im Park.

Bei den Zwergziegen gibt es in diesem Jahr einmal Drillinge (alles Weibchen) und zweimal Zwillinge, die nicht minder süß sind als Archie. Ihre Namen: Dietmar, Bärbel, Luna, Hermine, Ronja, Finja, Ginny. Sie sind inspiriert von Harry Potter und der Serie „Mord mit Aussicht“, wo die Polizisten Dietmar und Bärbel heißen. Besonders frech ist Hermine, die mich immer wieder bespringt. Luna hingegen sieht sich als den Star der Truppe und posiert gekonnt in die Kamera wie man unschwer erkennen kann.

Auch bei den Schafen gegenüber gab es Nachwuchs, acht Lämmer um genau zu sein. Du findest sie entweder im hohen Gras versteckt oder unter dem großen Baum.

Bei Alpaka Dame Rosalie hat es in diesem Jahr nicht mit Nachwuchs geklappt. Just zu diesem Zweck wurde sie zu einem befreundeten Hof mit Hengst gegeben. „Trotz aller Anzeichen war sie dann doch nicht tragend“, erzählt Herr Panhorst. Zu diesen Anzeichen gehört übrigens das Bespucken des Hengstes, wenn die Stute schon tragend ist oder anders gesagt: „,wenn sie kein Bock mehr hat“.

Und was passiert danach mit ihnen?

Wie immer interessiert mich im Besonderen die Geschichte hinter der Idylle und so ergeben sich noch zwei Fragen: Was passiert mit den Tierkindern und was gehörte zu seinen skurrilsten Erlebnissen im Tiergehege?

Zeit der Realität ins Auge zu sehen: Die Ferkel kommen im Schnitt nach zehn Wochen zu einem befreundeten Bio-Bauern mit Freilandhaltung, wo sie nach einem Jahr geschlachtet werden und auf (deinem?) Teller landen. „Viele Besucher finden das gar nicht gut, aber so ist das nun einmal“, so Herr Panhorst. Ist das Mensch-Tier-Verhältnis nicht ganz schön paradox? Am Nachmittag noch die süßen Schweinchen bewundern und sie kurz darauf in Form einer Bratwurst verspeisen… Aber das ist ein (komplexes) Thema für sich, um das es an dieser Stelle nicht gehen soll.

Die anderen Tierkinder kommen zu Privatpersonen, die in der Lage sind, sie artgerecht zu halten. „Mein Anspruch ist es, dass sie in gute Hände kommen. Da schau ich schon immer ganz genau, wohin und an wen ich sie gebe.“

„I love you donkeys! I love you!“

Und sein skurrilstes Erlebnis? Da muss Herr Panhorst nicht lang nachdenken. Die Story hat er gleich in petto:

„Eines Nachts, wir wohnen über den Ställen im Haus gleich neben den Eseln, wurde ich von den lauten Rufen der Esel geweckt. Ich wusste gleich, dass etwas nicht stimmte. Als ich raus ging, sah ich einen Mann, der nichts außer einer Unterhose trug. Er war offensichtlich betrunken über die Zäune zu den Eseln geklettert. Neben ihrem panischen IAIAIAIA lallte er immerzu „I love you donkeys! I love you!“ Einen solchen Anblick hatte ich nun wirklich nicht erwartet.“

A walk in the park – Deine virtuelle Tour

Nützliche Infos für deinen Besuch im Tiergehege im Bremer Bürgerpark

Da du die tierischen Bewohner nun schon so gut kennengelernt hast, kannst du ihnen auch gleich einen Besuch abstatten.

Der Bürgerpark liegt in der Nähe vom Bremer Hauptbahnhof. Das Tiergehege ist am besten zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar. Parkplätze gibt es in der Nähe und auch die nächste Bushaltestelle (Findorffallee) ist nur etwa 10 Gehminuten entfernt.

Der Eintritt ist kostenfrei. Die Pflege und Futtermittel finanzieren sich über Spenden und den Bremer Bürgerparkverein. Wenn du etwas spenden möchtest, dann kannst du das auf diesem Wege tun.

Bitte beachte, dass das Füttern der Tiere verboten ist. In der Vergangenheit hat es einige Tiere schon das Leben gekostet, wenn Menschen ihre Küchenabfälle im Schweinegehege entsorgt haben oder irgendwelche Pflanzen (einige im Bürgerpark sind giftig!) als Futtermittel angeboten haben. Traurig, aber wahr.

Die Gehege sind für Besucher nicht zugänglich, das heißt du kannst nicht zu den Eseln rein, um sie zu streicheln zum Beispiel. Die Tiere sollen so wenig wie möglich gestört werden. Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Fan von Zoos bin. Dieses Tiergehege jedoch ist anders. Die Bedürfnisse der Tiere werden respektiert, es sind vornehmlich heimische Haustierarten, die bei Herrn Panhorst und seiner Familie in guten Händen sind.

Der Bremer Bürgerpark

Wenn du schon mal da bist, kannst du auch gleich noch durch den schönen Bürgerpark spazieren. Hier erwartet dich viel Grün, pittoreske Brücken, weitläufige Wiesen, Seen, Cafés, Biergärten (besonders hübsch ist die Waldbühne) und sogar ein Minigolfplatz. Wenn du dann immer noch nicht genug hast, kannst du dir noch ein Ruderboot mieten und den Park aus dieser Perspektive erkunden.