Arbeiten auf dem Kreuzfahrtschiff
Travel

Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff – Das solltest du vorher wissen

„Ich möchte auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten, weil es mein Traum ist – viel Reisen und viel verdienen.“

Als ich beruflich noch Personal für Kreuzfahrtschiffe rekrutierte, war das die Aussage, die ich mit am häufigsten zu hören bekommen habe. Meine Aufgabe war es in dem Moment diese romantische Vorstellung mit einer ordentlichen Portion Realität zu zerschlagen. Als ich mit 20 selbst das erste Mal anheuerte dachte ich auch, dass mein Traum vom bezahlten Reisen wahr würde. Das ist er in gewisser Weise tatsächlich, aber anders eben. Es gibt Dinge, die ich vorher gerne gewusst hätte. Über einige Punkte wurde ich informiert, aber ich hätte sie mir wirklich bewusst machen sollen. Ich denke zwar nicht, dass es mir den Kulturschock Kreuzfahrtschiff erspart hätte, aber ich wäre mental vielleicht etwas besser darauf eingestellt gewesen.

Solltest du also davon träumen auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten, dann bereite dich mit diesen Facts auf deinen Bordeinsatz vor.

Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff – Die Top 10 Good to know-Facts

1. Die Arbeitszeiten

In der Regel bist du 6 Monate im Einsatz. Du arbeitest an 7 Tagen in der Woche, etwa 10 Stunden täglich. Freie Tage gibt es nicht, maximal freie Stunden. Die Vertragsdauer hängt von der Reederei und der Position ab, die du an Bord erfüllst. Sie kann 4 Monate betragen, 6 oder auch 8. Meine Verträge haben immer 6 Monate gedauert, wobei ich auch einmal 8 Monate lang unterwegs war, als ich aus Personalmangelgründen darum gebeten wurde. Die Geschichte über den verlängerten Einsatz mit den eskalierenden Kurzkreuzfahrten findest du hier.

Die Arbeitszeit hängt natürlich auch von deinem jeweiligen Job ab, aber du kannst davon ausgehen, dass du täglich etwa 10 Stunden im Einsatz sein wirst. An Tagen wie dem Turnaround Day können es auch mal mehr werden. Ein paar Stunden frei, um die schönen Häfen zu erkunden wirst du sicher haben, aber besonders zu Beginn -in der Gewöhnungsphase- ist fraglich, ob du sie für Sightseeing oder für eine Siesta nutzen wirst. Das ist sicher typabhängig. Ich habe mich anfangs trotz Müdigkeit in die Häfen gestürzt. Schließlich gab es so viel Neues zu sehen und zu erleben. Später jedoch und besonders, als ich die Orte dann schon zur Genüge kannte, habe ich manch einmal die Siesta vorgezogen.

2. Vergiss deine Privatsphäre

Du. Bist. Nie. Allein. So sieht es aus. Diese Erfahrung hat mich maßgeblich geprägt. Seit meinen Jahren an Bord brauche ich immer wieder meine „Alleinzeit“. Das kann auch schon mal so weit gehen, dass ich mich regelrecht isoliere. Kurz, Privatsphäre ist ein Gut, das ich sehr zu schätzen gelernt habe. Denn an 6 Monaten an Bord war sie Mangelware. Man ist ständig von Menschen umgeben – seien es Kollegen oder Gäste – sie sind überall, rund um die Uhr. Ständig.

Das bedeutet auch, dass man Konfliktsituationen nicht so einfach aus dem Weg gehen kann. Aus den Augen aus dem Sinn funktioniert an Bord nicht. Du wirst gezwungen Konflikte direkt und offen zu lösen, denn alles andere führt zu unerträglichen Situationen an Bord, egal ob es sich um zwischenmenschliche Konflikte oder arbeitsbezogene Konflikte handelt. Eine harte, aber wertvolle Lektion, die man an Bord lernt.

3. Dunkelheit & Enge

Stell dich darauf ein, dass du dir eine kleine Innenkabine mit einem Kollegen teilen wirst (gleichen Geschlechts natürlich). Zumeist liegen die Crewkabinen unter Deck und nicht selten auch unterhalb der Wasseroberfläche.

Die Kabinen sind zumeist mit einem Stockbett, einem Schreibtisch, einem Stuhl, einem Schrank mit Safe und einem winzigen Duschbad ausgestattet. Du kannst vielleicht 3-5 Schritte in der Kabine gehen, das war es an Platz. Im Bad kannst du dich einmal drehen, that’s it.

Innenkabine bedeutet Dunkelheit und künstliches Licht. Das hat mir zu Beginn am meisten zu schaffen gemacht und noch heute kann ich künstliches Licht nicht abhaben. Durch den intensiven Arbeitsrhythmus, die Geräusche und Bewegungen des Schiffes und die Dunkelheit verlierst du irgendwann jegliches Gefühl für Zeit & Ort. Regelmäßig bin ich mit einer gefühlten „Herzattacke“ wach geworden, nach einem Mittagsschläfchen – nicht wissend wo ich war, warum und wie viel Uhr es war.

4. Mikrokosmos Schiff

An Bord herrschen eigene Regeln, es ist wie ein eigenständiger Staat mit dem Kapitän als Oberhaupt. Es gibt strikte Hierarchien und Vorgaben für den Umgang mit den Gästen, den Kollegen, den Vorgesetzten und dem eigenen Auftreten.

Im Einsatz am Gast musst du deine Uniform vernünftig tragen und die „Grooming Standards“ erfüllen. Diese schreiben unter anderem vor, wie groß dein Schmuck sein darf, wie du deine Haare zu frisieren hast, wie du dich schminken darfst/sollst, wie viel Parfum/Deo du benutzen darfst, etc.

Darüber hinaus gibt es bei einigen Reedereien vorgeschriebene Wordings (Sprache & Ausdruck am Gast), Alkohollimits und es gibt Bereiche, in denen man sich je nach Rank in den öffentlichen Räumen an Bord bewegen darf und in welchen nicht. Eine Küchenhilfe darf sich nach Feierabend zum Beispiel nicht einfach in einer der Gäste-Bars einen Drink genehmigen. Ich hingegen durfte es, weil ich den Offiziersrank hatte. Zum Thema Alkohol ist dieser Artikel für dich vielleicht von Interesse.

Da das meine erste richtige Berufserfahrung war, bin ich beruflich quasi damit aufgewachsen. Für Menschen jedoch, die so etwas nicht kennen, kann das im ersten Moment sehr befremdlich sein – steckt man doch in gewissem Maße seine Persönlichkeit zurück.

5. Sicherheit auf hoher See

Das ist ein elementares Thema, mit dem du dich intensiv auseinandersetzen solltest, denn dein professionelles Handeln im Notfall rettet dein Leben und das vieler weiterer Menschen. Und so abwegig es auf den modernen Schiffen scheinen mag – es kommt vor. Das Schlimmste, was passieren kann ist ein Feuer, aber es gibt viele weitere Notfälle in denen die Crew professionell für das Wohl aller sorgen muss.

Die Reedereien stellen sicher, dass jedes Crewmitglied ein Sicherheitstraining erhält. Einige machen das zentral auf dem Festland, bevor es für die Crew an Bord geht und andere wiederum machen es direkt vor Ort. Bei beiden Reedereien, für die ich tätig war, wurden die Trainings an Bord durchgeführt. Jedes Crewmitglied bekommt eine eigene „Duty“, die er im Falle eines Notfalls erfüllen muss – jeder zählt.

Arbeiten auf dem Kreuzfahrtschiff
Einen Autoführerschein habe ich nicht, aber dafür einen für Rettungsboote
6. Rund um die Uhr im Einsatz

Wann immer du dich an Bord in „public spaces“, also im öffentlichen Gästebereich bewegst, bist du im Einsatz. Da interessiert es nicht, ob du gerade nach deinem Feierabend auf dem Weg in die Kabine oder in den Hafen bist. Du hörst dann nicht plötzlich auf die Gäste wahrzunehmen, sondern bist nach wie vor Gastgeber (auch wenn dein Job Elektriker ist).

Hast du eine Position, die es dir erlaubt am Abend auch mal in die Bars, Restaurants und Geschäfte zu gehen, dann musst du dies in deiner Uniform tun und „angeknipst“ sein. Angeknipst bedeutet, dass du auf deine Umgebung achtest, Gäste wahrnimmst und ihnen hilfst, wenn sie offensichtlich Unterstützung benötigen.

Rund um die Uhr im Einsatz bedeutete in meinem Fall auch jeden Tag, 24 Stunden auf Standby zu sein. Ich hatte ein Diensttelefon, über das ich für Gäste und Kollegen ständig erreichbar war. So wurde ich auch mal nach Mitternacht zum Übersetzen in die Krankenstation gerufen oder musste um 3 Uhr früh einen Anruf von einem Gast beantworten, die wissen wollte, was es am nächsten Tag im Hafen alles zu sehen und tun gab.

7. Klimaanlage oder keine Luft

Stehst du draußen an Deck, und die Zeit dazu solltest du dir immer wieder mal nehmen, genießt du die wunderbare Meeresluft und den weiten Horizont bei herrlichstem Meeresrauschen.

Drinnen sieht es schon wieder ganz anders aus, denn die Klimaanlage läuft non-stop. Man kann sie nicht ausschalten, nirgends. An diese künstliche Luft mussten sich meine Atemwege erstmal gewöhnen und nicht nur die. Ein bis zwei Mal pro Vertrag war ich immer erkältet – von der a/c (air condition). Besonders hart ist es, wenn man nach ein paar Stunden am Strand in der Karibik oder in einer heißen Smog-Metropole wie Rom wieder an Bord kommt und von der eisigen Kälte der Klimaanlage erwischt wird, die einem schier ins Gesicht schlägt.

8. Das Essen

Damit ist es immer so eine Sache… Essen und Trinken bekommt man kostenfrei in der Crew Mess, der Mitarbeiterkantine an Bord. Die Qualität und Auswahl hängt zumeist vom Engagement des aktuellen Küchenchefs ab. Vielen Küchenchefs ist das Crew Essen ziemlich egal. Es gab Phasen an Bord, da habe ich mich ausschließlich von Caesar’s Salad ernährt, weil alles andere ungenießbar war. So etwas kennt jedes Crew Mitglied.

Die meisten gehen, wenn die Zeit es erlaubt, in den Häfen essen und mir ging es da nicht anders. Auf sich wiederholenden Routen hat man dann irgendwann seine Lieblingsspots fürs Mittagessen. Das kann schnell zum Highlight des Tages werden. Man darf sich selbst als Gast fühlen, hat etwas Abstand vom Arbeitsalltag und genießt auch noch lokale Köstlichkeiten – und die gibt es auf dieser wunderbaren Welt zur Genüge.

Hach das erinnert mich an so manche Food Eskalation im Brandi’s in einer kleinen Seitenstraße in Neapel. Wenn es das Brandi’s noch geben würde, würde ich allein dafür mal wieder einen Trip nach Neapel planen 😉

9. Seekrank

Auf den großen modernen Kreuzfahrtschiffen spürt man kaum noch, dass man auf See ist und keinen festen Boden mehr unter den Füßen hat. Die Stabilisatoren sorgen dafür. Je nachdem, wie empfindlich man ist oder wie stark der Sturm ist, spürt man „motion in the ocean“ trotz der Stabilisatoren und wird seekrank. Irgendwann gewöhnt man sich dran.

Tipps gegen Seekrankheit
Wenn du weißt oder irgendwann feststellst, dass du zu (Reise-)Übelkeit neigst und die Information erhältst, dass es zu stürmischer See kommen wird (kommt vom Kapitän via Mail bzw. Durchsage), kannst du vorsorgen. In der Krankenstation gibt es gratis Seasickness-Pills, wovon man eine nehmen sollte, bevor einem schlecht wird. Üppiges Essen mit fetten Saucen solltest du vermeiden. Auch Wasser trinken ist keine gute Idee bei dieser Art Übelkeit. Stattdessen: Cola (nicht light!) und trockene Cracker und wenn möglich schlafen.

Der allgemein empfohlene Blick auf den Horizont hat bei mir nie etwas gebracht. Richtig seekrank geworden bin ich nur auf einem Schiff, auf dem ich glücklicherweise immer nur kurz eingesetzt war (max. 1-2 Monate). Es war ein kleines und altes Schiff…

10. Fresh Meat

Als „fresh meat“ werden Neulinge (neue Crewkollegen) bezeichnet, die man sexuell attraktiv findet. Die Blicke werden auch gar nicht irgendwie versteckt, sondern man wird ganz offen angestarrt und wo wir gerade dabei sind, auch direkt mit Blicken ausgezogen. Besonders zu Beginn war mir das extrem unangenehm, ich hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst, aber irgendwann gewöhnt man sich auch daran. Wobei ich sagen muss, dass ich es heute noch nicht ausstehen kann angestarrt zu werden – aus welchem Grund auch immer gestarrt wird.

Bei diesem Phänomen gibt es keinen Unterschied zwischen dem Verhalten von Männern und Frauen. Ich kann natürlich besser davon berichten, wie ich es als Frau erlebt habe, aber von ausschließlichem Sexismus seitens der Männer zu reden, wäre schlichtweg gelogen und zu kurz gedacht. Denn Frauen sind keinen Deut besser. Nach mehreren Verträgen an Bord und voll in dieser Welt habe ich mich selbst mal dabei erwischt, wie ich die „neue Ladung“ fresh meat in Augenschein genommen habe. Nichts worauf ich im Nachhinein stolz bin, aber so viel Ehrlichkeit muss sein. Es ist mir dann auch irgendwann aufgefallen und ich habe es mir wieder abgewöhnt. Schließlich möchte ich nicht das tun, was ich nicht will, das man mir tut – um es mit den Worten von Jesus zu sagen.

Amen 😉

Arbeiten auf dem Kreuzfahrtschiff
Mit dem Kreuzfahrtschiff in Honduras

Wie sieht’s aus – waren ein paar überraschende Facts dabei? Denkst du darüber nach an Bord eines Kreuzfahrtschiffs zu arbeiten und hast noch Fragen? Meld dich gern – ich freue mich auf deine Nachricht. Baci e abbracci, Deine Gitaliana