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Pleiten, Pech & Ridiculousness in Portugal – Die perfekte erste Reise

Wir gehen auf das Boot zu und da spüren wir sie – die ersten dicken Regentropfen prassen auf uns herab. Schnell einen Platz unter der Plane ergattern. Bringt nix. Es regnet in Strömen und binnen weniger Minuten sind wir durchnässt. Ich blicke zu Adina rüber und sage „Wenn wir jetzt aufs offene Meer rausfahren, wird es leider nicht besser. Denn dann kommt der kalte Wind dazu.“ Und so ist es. Als wir über eine Stunde später bei den freilebenden Delfinen ankommen hat der Regen zwar eine kleine Pause eingelegt, aber es geht uns gar nicht gut. Nass, kalt und seekrank. So hatten wir uns das nicht vorgestellt. Wir versuchen das alles auszublenden. Diese faszinierenden Wesen helfen dabei.

Sie in freier Wildbahn zu erleben ist immer wieder ein unbeschreibliches Gefühl. Ein bisschen wie Schmetterlinge im Bauch. Die Begeisterung lässt nicht ab. Wann immer ein Delfin neben dem Boot, das -mehr oder weniger- zum Stehen gekommen ist, auftaucht, kann ich mich nicht zusammenreißen: „Da!“ und gleichzeitig „Ich glaube ich muss mich gleich übergeben.“

Tragik ist Komik in Spiegelschrift.

Max Herre

So ist das. Lange fühlte ich nicht mehr gleichzeitig so Gegensätzliches in mir.

Boote Boote Boote

Als wir wieder bei der Marina in Lagos ankommen, setzen wir uns in das erstbeste warme Lokal und trinken Tee. Dazu etwas Brot, um die Übelkeit zu stoppen. Als wir heute früh noch zuversichtlich und hoch motiviert in den Tag starteten, wollten wir eigentlich gleich nach dem Dolphin Watching noch eine Bootstour zu den Grotten machen. Abgesehen vom noch immer andauernden Regen hatte Adina nun aber erstmal genug von Booten.

Ich sehe in ihr blasses Gesicht und mein Patenkind tut mir leid. Es ist ihre erste Auslandsreise und das war ihr erster Bootsausflug. Seit wir in Portugal sind hat es nur geregnet. Bizarr war, dass wir Nachrichten und Bilder aus Deutschland erhielten, in denen alle davon erzählten wie sie die sommerlichen Temperaturen daheim genossen. Sogar in Bremen! Wie war das doch gleich mit der Tragik, die Komik in Spiegelschrift ist?

Naja gut, gestern hatten wir auch mal Sonne. Da haben wir unsere kleine Küstenwanderung bei Portimão gemacht. Da hatten wir großes Glück und einen fabelhaften Tag. Es war aber auch der Tag, an dem Adina feststellte, dass sie ihren Ausweis verloren hatte.

Der verlorene Ausweis

Das hatte uns gerade noch gefehlt. Meine Freundin Patricia, von der ich im letzten Artikel bereits berichtete – ihres Zeichens Hospitality Professional – rief sofort ihr Touri-Krisenmanagement auf. Sie rief bei der Polizeistation in Lagos an. Nichts. Wir durchsuchten alle Sachen. Nichts. Wir kämmten alle Shops und Restaurants ab, in denen wir waren. Nichts. Und immer wieder dieselbe Frage: Wo hast du deinen Ausweis zuletzt gesehen?

Kurz vor Abfahrt von Lagos nach Lissabon, wo wir noch weitere drei Tage vor uns hatten, suchten wir noch einmal die Polizeibehörde in Lagos auf. Die Herrschaften waren allerdings alles andere als hilfreich. Also würden wir wohl oder übel unsere Lissabon-Zeit dafür opfern müssen: Polizei in Lissabon, Konsulat, etc. und das an den Ostertagen. Hoffen, dass wir bis zum Abflug alles geregelt bekommen. Die Zeit ist knapp. Da kommt es uns sehr gelegen, dass der Ostermontag in Portugal ein regulärer Werktag ist.

Ankunft in Lissabon

Wir haben einen langen Tag hinter uns. Mein Koffer scheint Steine zu enthalten und ich kenne die Straßen von Alfama, wo unsere Unterkunft gelegen ist. Ich beschließe kurzerhand: Wir „gönnen“ uns ein Taxi.

Little did I know…

Wir sitzen im Taxi und sind bei den steilen, engen Straßen froh eines genommen zu haben. Irgendwo lässt der Fahrer uns raus. Er steigt nicht mit aus wegen der Koffer. Ok, holen wir sie halt selbst raus. Adina öffnet den Kofferraum. Das Taxi setzt sich in Bewegung. Ah, er wird sicher nur an die Seite fahren, um Platz für die Autos hinter ihm zu machen. Aber… hhhmm wieso fährt er denn weiter? „Der fährt weg!“, sagt Adina entsetzt. Mit offenem Kofferraum sehen wir ihn langsam hinfort fahren. Wie in Zeitlupe spielt sich das alles ab. Meine Gedanken: Der fährt ernsthaft weg. Wie würden wir an unsere Koffer kommen? Gar nicht. Denn wir haben nichts – keinen Namen, keine Nummer – einfach nichts. Ohne nachzudenken renne ich los. Dem Taxi hinterher. Als ich mich nähere sehe ich wie er auf Hinweis einiger Passanten den Kofferraum schließt und in Begriff ist wieder los zu fahren!

Ich kann es nicht fassen! Dem Pärchen neben dem Taxi rufe ich von weitem zu ihn bitte noch irgendwie aufzuhalten. Vollkommen außer Atem erreiche ich ihn. Er sieht mich an als würde er mir zum ersten Mal begegnen. „Was für Koffer?“ – fragt er mich ernsthaft!

Schließlich kommt auch Adina an, wir nehmen unsere Koffer und gehen zurück.

Wo ist denn nun dieses Hostel?

Wir stellen fest: Zu allem Überfluss hat der werte Herr Taxifahrer uns auch noch an der falschen Stelle raus gelassen. Das mit dem Stress und Schleppen ersparen hat mal so gar nicht funktioniert. Und schon schleppen wir uns über steile Treppen und Straßen auf der Suche nach unserem Hostel.

Hab ich Zement in meinem Koffer???

Hier muss es sein. Sieht aber irgendwie nicht so aus. Ich bitte einen Shop Besitzer um Hilfe. Der ist selbst hilflos und verweist uns an die älteren Damen, die hier wohnen und gerade aus einem Bistro kommen. Die Hostel Gastgeber kann ich auch nach mehreren Anrufen nicht erreichen. Die Damen ärgern sich mit uns und sorgen sich mit uns. Jeder, der vorbeikommt wird zu Rate gezogen, auch diejenigen, die das Treiben auf den Straßen von ihren Fenstern aus beobachten. Es ist so rührend und mental fühlt es sich wirklich unterstützend an. Das obwohl ich in meinem Kopf schon Plan B für unsere Übernachtung schmiede. Ich versuche es nochmal telefonisch. Endlich! Mit dem letzten Hinweis finden wir das Hostel schräg gegenüber. Also direkt vor unserer Nase. Manchmal liegt die Lösung einfach zu nah. Zu unserer Verteidigung: Es war ein gewöhnliches Haus, ohne Beschilderung oder dergleichen.

Die Sache mit dem Ausweis

Unser Ostersonntag startet mit einem Spaziergang zur Police Station in Alfama, die direkt neben dem Santa Apolonia Bahnhof gelegen ist. Auf meine Bitte uns zu retten, lacht der Polizeibeamte und sagt: „Na klar. Das ist doch kein Problem. Ich löse das für euch. Aber dann schuldet ihr mir einen Kaffee.“ Den soll er kriegen, denke ich mir nur. Als erstes ruft er bei den Kollegen in der Zentrale an. Da wurde der Ausweis nicht gefunden. Er jagt die Daten durch seinen Rechner und findet heraus, dass Adina’s Ausweis von der Polizei in Lagos gefunden wurde und bei ihnen liegt! An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf den oberen Absatz verweisen…

Unfassbar.

Er kann uns sogar sagen und zeigen, wo der Ausweis gefunden wurde. Irgendwo in den Straßen von Lagos, die wir bei strömendem Regen erkundet haben. Der Polizist versichert uns gleich am nächsten Morgen bei den Kollegen anzurufen und zu veranlassen, dass sie den Ausweis per Express nach Lissabon schicken. Dann würden wir ihn am Dienstag bekommen. Rechtzeitig für unseren Abflug am Mittwoch um 5 Uhr in der Früh. Eine riesige Last fällt uns von den Schultern. Guter Dinge verlassen wir das Büro, um uns endlich dem Wesentlichen zu widmen: Lissabon.

Ein schöner Ostermontag in den Straßen von Lissabon wird von einer Hiobsbotschaft unterbrochen. Es ist der nette Polizist. Die Kollegen in Lagos weigern sich den Ausweis per Express zu verschicken. Sie bestehen auf den internen Postweg, der mehr Zeit in Anspruch nimmt. Zeit, die wir nicht haben. Wir müssen wohl nach Lagos fahren und den Perso abholen. Uns beiden graut es bei der Vorstellung einen ganzen Tag damit zu verschwenden im Bus zu sitzen, um innerhalb von 1-2 Stunden in Lagos den Ausweis zu holen und gleich wieder zurückzufahren. Wir müssen uns erstmal setzen und nachdenken. Mir fällt Patricia ein. Vielleicht könnte sie uns helfen, wenn sie ihr erlauben den Ausweis abzuholen. Dann könnten wir uns wenigstens den Weg zur Polizeistation sparen. Den Weg nach Lagos wohl leider nicht.

Nochmal Lagos?

Ich frage Patricia, sie ist einverstanden. Ich erzähle dem Lissaboner Polizeibeamten davon und er hat die perfekte Lösung parat: Er sorgt dafür, dass Patricia den Ausweis abholen darf (Vollmacht von Adina) und schlägt vor, dass sie ihn uns per Fernbus/Postweg nach Lissabon schickt. Rede Expresos heißt das Busunternehmen, das mehrmals täglich fährt und auch Päckchen verschickt.

Patricia ruft bei RE in Lagos an. Sie sagen, dass sie das nicht tun können. Patricia plant schon selbst nach Lissabon zu fahren, um uns den Ausweis zu bringen (zum Glück hat sie ihn dann auch wirklich bekommen!). Das wollen wir unbedingt verhindern. Sie ruft bei RE in Lissabon an, die ihr sagen, dass sie nicht verstehen, warum die Kollegen in Lagos abgelehnt haben. Das sei Usus. Mit dieser Info wendet sie sich nochmal an RE in Lagos, die ihr sagen, sie soll es Dienstag früh am Schalter versuchen, um den Ausweis mit dem Bus um 8:30 Uhr nach Lissabon zu bekommen.

Wir geben uns wirklich größte Mühe unseren Tag in Lissabon zu genießen, aber bei all diesen Ausweis-Pannen ist es nicht einfach. Mental sind wir darauf vorbereitet, den Dienstag im Bus nach Lagos und zurück zu verbringen. Bis die Nachricht von Patricia uns Dienstagfrüh erlöst. Es hat geklappt. Wir können Adina’s Perso gegen Mittag am entsprechenden Schalter am Sete Rios ZOB abholen. And guess what?! Um exakt 12:43 Uhr hielt sie ihn stolz in ihren Händen. Eingesteckt und aufbewahrt habe ich ihn dann aber. Just in case.

Frankfurt Flughafen

Immer wieder sehen wir uns wortlos an und lachen einfach los. Auch ohne Worte wissen wir warum. Am Ende ist es einfach nur lustig. Da können wir auch darüber lachen, dass der Taxifahrer mit offenem Kofferraum inklusive unseres Gepäcks davon düst und wir wie Doofe hinterherjagen oder darüber, dass der Ausweis bei der Polizei in Lagos war als wir uns danach erkundigen wollten und ihn nicht bekommen haben. Und über all die anderen eher ungewöhnlichen Erlebnisse.

Unser Zug fährt in 10 Minuten und Adina’s Koffer fehlt noch immer. Ist das jetzt noch der krönende Abschluss? Sie sieht mich an und sagt: „Ich will nicht schon wieder zurück in Deutschland sein. In Lippstadt ist es so langweilig. Jeden Tag dasselbe.“ Ja, aufregend und viel Action gab es auf dieser Reise – ohne Zweifel. So viele neue Eindrücke. So viele Dramen. So viel Nasskalt. So viele Pannen. So fern von Perfektion.

Die perfekte erste Reise.

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